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Fließgewässer mit starker Belastung

Unter natürlichen Abflussbedingungen treten im Oberlauf der Bäche und Flüsse die höchsten Fließgeschwindigkeiten und Schleppspannungen auf. Durch vielfältigste wasserbauliche Veränderungen unterliegen häufig auch andere Uferabschnitte starken hydraulischen Belastungen.
Die Ursachen hierfür können zum Beispiel erhöhte Schleppspannungen durch Flussbegradigungen oder Wellen aus der Schifffahrt sein. Zur Sicherung dieser besonders beanspruchten Ufer werden im Wasserbau Deckwerke verwendet. Sie schützen das Ufer vor den mechanischen Belastungen durch Windwellen und Wellen vorbeifahrender Schiffe.

Die für diesen Bereich eingesetzten Bauweisen (Steinschüttung, Röhricht-Gabionen, Stein- und Schottermatratzen) leiten zu den rein technischen Verbauvarianten des schweren Wasserbaus über.

Lösung:
Steinschüttung

Offene Steinschüttungen zählen nur in Verbindung mit einer Bepflanzung zu den ingenieurbiologischen Bautechniken. Da sie meistens zusammen mit Weidenruten verbaut werden, werden sie in dieser system-ingenieurbiologischen Betrachtung nur kurz angeschnitten.
Bepflanzungen mit großen Röhrichtballen haben meist nur eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten. Aus den Lücken zwischen den Steinen wird durchwurzelbarer Boden ausgespült. Sofern sich Röhrichte trotzdem halten können, steht die Verklammerung von Steinschüttungen der weiteren Ausbreitung auf der Böschung entgegen. Zudem ist die Bepflanzung von Deckwerken sehr arbeitsaufwändig und hat oft den Charakter einer »Balkonkastenbepflanzung«.

Lösung:
Röhricht-Gabionen

Gabionen bzw. Röhricht-Gabionen werden alternativ zu Steinschüttungen eingesetzt. Wasserbausteine der Klassen CP 45/125 und CP 63/180 werden in eine Draht- oder Kunstfaserarmierung gefüllt und kommen als Deckwerksmatratze zum Einsatz. Gegenüber herkömmlichen Steinschüttungen wird bei vergleichbarer Wirkung wesentlich weniger Material benötigt.
Die Zone des Wellenschlags ist für Röhrichtpflanzen kritisch. Durch die Verwendung von vorgezogenen Röhrichtmatten in Gabionenmatratzen wird dieser Bereich mit kräftig entwickelten Pflanzenverbänden begrünt. Da das Wurzelsubstrat aus der Gabione nicht ausgespült werden kann, sind die Erfolgschancen für eine dauerhafte Röhrichtentwicklung gut.
In Abschnitten, wo aufgrund des starken Schiffsverkehrs auf rein technische Lösungen vertraut wird, bilden Röhricht-Gabionen in weniger beanspruchten Aufweitungen eine ökologisch wertvolle Kontaktzone zwischen Land und Wasser.

Bewertung für die Praxis

Bei gleicher Wirksamkeit werden im Vergleich zu Steinschüttungen wesentlich weniger Wasserbausteine benötigt. Röhricht-Gabionen besitzen aufgrund ihrer Begrünung eine wesentlich größere ökologische Wirksamkeit (z. B. ungehinderter Organismenaustausch zwischen Land und Wasser möglich). Dies ist besonders in dicht besiedelten Abschnitten, ökologisch sensiblen Bereichen oder z. B. an Wildausstiegen von großer Bedeutung.
Aufgrund der äußeren Metallarmierung verfügen Röhricht-Gabionen aber nur über eine eingeschränkte Flexibilität und passen sich nur schwer Unregelmäßigkeiten der Böschung an.

Lösung:
Steinmatratzen

Steinmatratzen und Schottermatratzen sind komplett vorgefertigte Elemente (Standardgröße 2×2x0,25 m). Die einzelnen Kammern der Steinmatratzen werden durch hochreißfeste Kunstfasernetze ummantelt. Dank der speziell entwickelten Kompakt-Fülltechnik und des kleinen Steinmaterials (CP 45/125, bei Schottermatratzen 30/60) lassen sich sehr kompakte und doch flexible Bauelemente herstellen.
Pflege
Eine Pflege der Begrünung in Form einer anfänglichen Bewässerung kann eventuell notwendig sein. Im Betrieb sollten die Ufer in Abständen auf Treibgut und Fremdkörper kontrolliert werden, die durch die Wellenbewegung zu einer mechanischen Beschädigung oder Zerstörung von Pflanzen führen können.
Kosten
Die Kosten für Lieferung und Einbau von Steinmatratzen (25cm Stärke) belaufen sich auf ca. 70 €/m².
Bewertung für die Praxis
Bei gleicher Wirksamkeit werden im Vergleich zu Steinschüttungen wesentlich weniger Wasserbausteine benötigt. Durch die Kompakt-Fülltechnik ist die Bildung größerer Hohlräume und die Gefahr von Umlagerungen innerhalb der Matratze ausgeschlossen. Aufgrund ihrer Struktur ermöglichen Stein- und Schottermatratzen auch an hydraulisch stark beanspruchten Punkten einen Organismenaustausch zwischen Land und Wasser (Durchgängigkeit im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie).
Hinweis
Zur Begrünung der Steinmatratzen werden dieser übererdet und eingeschlämmt. Je nach Standort erfolgt eine Raseneinsaat oder eine Begrünung mit Röhrichtmatten.
Hydraulisch stark belastete Bereiche sind für Pflanzen schwer zu besiedeln. Durch die Morphodynamik des Gewässers werden Pflanzen ausfallen und andere sich halten oder einwandern. Röhrichtmatten in Verbindung mit Stein- und Schottermatratzen bieten den Pflanzen bestmögliche Anwuchsbedingungen. Letztlich sind es die Standortfaktoren in ihrer Gesamtheit, welche die Artenzusammensetzung und die Dichte der Vegetation bestimmen.

Steinmatratzen an der Uferböschung der Lahn

Die Fotos zeigen das Ufer im Bau und im Sommer des folgenden Jahres. Die standortgerechte Ruderalflora konnte im Schutz der Steinmatratzen keimen und leitet eine sukzessive Begrünung ein. An einigen Stellen wächst das unerwünschte Indische Springkraut (Impatiens glandulifera), das als Neophyt in mitteleuropäischen Flüssen schwer verdrängbar ist.